Der Mut
Mut ist, ähnlich
wie die Liebe, nur sehr schwer zu erklären. Er kann sich auf unterschiedliche
Art und Weise zeigen. Oft ist das, was Mut zu sein scheint, etwas ganz anderes. Ein Kind kann
sich auf verschiedene Art und Weise Mut aneignen. Die Eltern sorgen dafür, dass
keine Herausforderung für das Kind in einer Niederlage endet. Die Weisheit
dieses Handelns ist zu bezweifeln. Früher oder später wird jeder den Geschmack
der Niederlage kennen lernen. Natürlich
sollte der Karate-Anfänger nicht durch all zu viele Niederlagen entmutigt
werden. Aber er muss lernen, mit Niederlagen umzugehen, sie zu verarbeiten.
Schafft er dies nicht, so mündet für ihn bereits die erste echte Niederlage in
eine schreckliche persönliche Katastrophe. Die beste
Methode, Mut zu unterrichten, ist die, Beispiel zu geben. Mutig zu sein erlernt
man, indem man sich den Mut einer Person, die man respektiert, als Beispiel
nimmt. Darum sollte sich der Trainer bemühen, Karate-Anfänger mit erfahrenen,
beherzten und mutigen Mitgliedern üben zu lassen. Feiglinge müssen allerdings
unmissverständlich gerügt werden. Doch der Trainer sollte diese Feigheit
seiner Schüler als persönliche Niederlage empfinden. Er muss seine Trainings-
und Unterrichtsmethoden nämlich so anlegen, dass Mut gerade bei denen gefördert
wird, die von Natur aus eher ängstlich agieren. Wie sehen solche
Trainingsmethoden aus? Der Anfänger
muss verstehen, dass jeder Mut entwickeln kann, wenn er sich ernsthaft darum bemüht.
Weiter muss er begreifen, dass am Schluss er selbst für seine Fortschritte
verantwortlich ist. Immer wieder sollte er sich Herausforderungen stellen und
gleichzeitig überlegen, wie er damit fertig wird. Angst kommt nämlich erstens
von Unwissenheit und zweitens davon, dass man total unvorbereitet erwischt wird.
Tagtäglich muss sich der Anfänger sagen, dass er mutiger und mutiger wird, und
den alten Spruch der besagt: Alles, alles auf dieser Welt ist schon einmal
vorgekommen, grosser Mut wie kriecherische Feigheit. Hält sich der Anfänger
diese Vergänglichkeit vor Augen, wird es ihm leichter fallen, sich jederzeit
als mutig zu erweisen. Belohnen möge man seinen Mut, vergessen machen seine
Feigheit. Der junge
Karateka muss auch verstehen, das Mut nicht notwendigerweise eine überstürzte
Reaktion darstellt, die zur Niederlage führt. Eher scheint eine ruhige und
abgeklärte Beurteilung der Situation als der vielversprechendste Weg zum Sieg.
Der mutige Mann ist kein lauter Prahler, der immer den allergefährlichsten Weg
beschreitet. Vielmehr behält er selbst im Angesicht höchster Gefahr seine
Selbstkontrolle, und zwar gerade dann, wenn seine Kameraden schon in Panik
geraten. Eine mit kühlem Mut und schneller Entschlossenheit durchgeführte
Aktion sollte der Vorsatz jedes
Karateka sein. Mut ist aber
auch stets gepaart mit Erfahrung. Nur wenige Männer zeigen Mut, wenn sie unter
ungewöhnlichen Druck geraten und ihm hilflos ausgesetzt sind. Als Beispiel: der
an Land geübteste Kämpfer kann seinen Kopf in einem Sturm auf hoher See
verlieren, während die Matrosen ruhig und gelassen bleiben. Umgekehrt jedoch
ist es der Seemann, der während eines nächtlichen Angriffs in den Bergen
seinen Kopf verliert und in Panik gerät. Der junge Karateka sollte nicht zögern,
jede mögliche Erfahrung zu sammeln, in jeder nur denkbaren Situation, gegen
jeden nur denkbaren Gegner. Die Beherrschung
der Technik ist der Begleiter des Muts. In dem Mass, in dem der Karateka seine
zunehmende Fertigkeit im Umgang mit der Technik erkennt, gewinnt er auch
Selbstvertrauen. Er wird auch in der Lage sein, Gegnern gegenüberzutreten, die
er früher fürchtete. Und er beginnt auch Freude an einem Kampf zu empfinden,
der ihn früher noch in Angst und Schrecken versetzt hat. Schöpferische
Phantasie fördert durchaus den Mut. Der Lernende muss sich jede Übung als Teil
eines richtigen Kampfes mit richtigen Gegnern vorstellen. Egal ob er alleine übt
oder mit einen Partner. Er soll sich immer vorstellen, dass er mit einem
furchterregenden Feind kämpfen muss. Tut er dies regelmässig, wird er sich
bald an die Vorstellung eines wirklichen Kampfes gewöhnt haben und nicht mehr
allzu viele Überraschungen beim Kämpfen erleben. Einige Menschen
scheinen schon mit Mut auf die Welt gekommen zu sein. Vermutlich hatten sie aber
gute Beispiele in ihren Vätern. Andere müssen erst lernen, Mut zu entwickeln.
Aber jeder kann es, wenn er nur hart genug trainiert. Ein Feigling ist jemand,
der sein volles Potential an Mut noch nicht ausgeschöpft hat. Mut ist
zusammengesetzt aus vielen Faktoren: Mut verlangt die richtige Philosophie, ein
überragendes Beispiel, solides Training, reichhaltige Erfahrung, Beherrschung
der Technik und dazu Einfallsreichtum. Doch vor allem verlangt Mut Motivation und Anstrengung. Viele Karatekas wurden besiegt von ihrer eigenen Furcht, und nicht von einem geschickten Gegner. Deshalb darf die Förderung von Mut in der Entwicklung eines Karatekas auf keinen Fall vernachlässigt werden.
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